Die auf Widerruf gestundete Zeit

Es kommen härtere Tage.
Die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont.

I. Bachmann

Das Miteinander wird zunehmend anstrengender.

Nach einem Jahr Corona-Pandemie liegen bei vielen Mitmenschen die Nerven blank. Man kann schwer bis gar nicht längerfristig planen. Vor allem das, was „Spaß“ macht und entlastet: Urlauben. Man kann aber auch nicht im Alltags- und Nahbereich spontan an einer Bar abhängen, sich wo zum Essen treffen, entspannt ohne Hygieneauflagen herumschlendern, uneingeschränkt seinem Lieblingssport nachgehen etc.

Hoffnungen auf ein rasches Ende der strengen Hygieneregimes verpuffen. Man wird grantig. Und bedürftig. Man tut immer noch, was man kann. Aber die gewohnten und entlastenden Alltagsroutinen fehlen. Und auch die gewohnten Unterbrechungen dieser Routinen (welche selbst längst schon wieder zu Routinen geworden sind….).

Und so beginnen sich die meisten ‚gegenseitig auf den Keks zu gehen‘. Was das Zusammenleben erst recht mühsam macht. Was also tun, und was lieber lassen?

Die Frage ist falsch gestellt: das Virus mitten unter uns macht nämlich etwas sichtbar, etwas das wir ganz gar nicht wissen wollten und wollen. UNSERE ABHÄNGIGKEIT von FUNKTIONIERENDEN ROUTINEN. Die Fremdbestimmung durch GEWOHNHEITEN, an welche wir uns so gewöhnt haben, dass wir sie gar nicht mehr wahrgenommen haben. Was wie Freiheit aussieht / aussah, das erweist sich jetzt als Ensemble von Pflichten und Kompensationen für die Mühen dieser Pflichten ……….

Diese alltäglichen ‚Spielräume‘ und die darin ablaufenden Spiele sind das Element, das uns als Personen ausmacht. Geraten diese längerfristig durcheinander, dann verstört uns das nachhaltig. Ängste kochen hoch, und mit ihnen alle Formen von Angstbewältigungsstrategien.

Überall diese ewigen Anfänger,
die längst am Ende sind.

Das wird nach einem Jahr Corona genz deutlich sichtbar. Für alle, die sehen wollen und – können.

Dieses SEHENKÖNNEN hängt aber nicht zuletzt davon ab, ob man inmitten all der Irritationen einen SICHEREN ORT finden kann, im AUSSEN und INNEN, weil man sich selber nicht über Gewohnheiten, nicht als Bündel von Gewohnheiten definiert.

Genau das ist der rote Faden durch alle Beiträge dieses Blogs. Vorbereitende Psychohygiene für die anwachsenden Herausforderungen im Leben der Zeitenwende. Das Coronavirus ist ja nichts als ein zarter Beginn dessen, was uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten blüht……

Dein Blick spurt im Nebel:
die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont.

Drüben versinkt dir die Geliebte im Sand,
er steigt um ihr wehendes Haar,
er fällt ihr ins Wort,
er befiehlt ihr zu schweigen,
er findet sie sterblich
und willig dem Abschied
nach jeder Umarmung.

Sieh dich nicht um.
Schnür deinen Schuh.
Jag die Hunde zurück.
Wirf die Fische ins Meer.
Lösch die Lupinen!

Es kommen härtere Tage.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar