Burnout – tiefer geblickt

1.Siehe dazu den folgenden Artikel: Ist Burnout eine Krankheit?

2. Burnout- Buchempfehlung:

Martina Leibovici-Mühlberger: „Die Burnout-Lüge“, edition a, 222 Seiten, 19,95 Euro

„Burnout-Patienten dürfen nicht weiter die Bauernopfer sein, hinter denen sich eine fehlgeleitete Gesellschaft versteckt. Wir alle sind zu 100 Prozent kontrolliert und verwaltet – wir sind nicht mehr lebendig“, analysiert Martina Leibovici-Mühlberger in ihrem Buch „Die Burnout-Lüge“.

Die Wiener Gynäkologin, Ärztin für Psychosomatik und Psychotherapeutin bezeichnet das Ausgebranntsein als eine „Erfindung einer Gesellschaft“, die sich eigentlich ihren wahren Problemen stellen müsste. Sie sieht Burnout-Patienten als Vorreiter eines Systemcrashs. Im Laufe ihrer Berufslaufbahn habe sie eine „Burnout-Explosion“ erlebt.

Irgendwann habe sie erkannt, dass „der Wurm woanders liegen müsste. Lange Zeit aber bin ich selbst der Burnout-Lüge aufgesessen. Ich habe mit großer Anteilnahme das Schicksal der überarbeiteten Gutmenschen beklagt“. Bis sie erkannte, dass manche Patienten einen Job mit extrem sozialem Umfeld hatten. „Da habe ich erkannt, dass es nicht nur ein mieser Job oder psychische Schäden aus der Kindheit sind, die zum Burnout führen.“ Es sei unser gesamtes Leben, das konsumgesteuert und oftmals sinnentleert ist. Die Leistungsgesellschaft habe viele narzisstische Individuen hervorgebracht, die ununterbrochen das eigene Ich zelebrieren und sich selbst isolieren. „Der Mensch aber ist ein Gemeinschaftswesen und funktioniert am besten, wenn er in einem Familien- und Freundeskreis eingebettet ist.“ Wenn der Mensch nur noch im fremdgesteuerten Hamsterrad laufe, fühle er sich auf Dauer leer. „Eine Gesellschaft, die nur auf wirtschaftlichen Konsum und Wachstum programmiert ist, wird irgendwann hohl.“

Den Ausweg aus der Burnout-Gesellschaft sieht Leibovici-Mühlberger im Prinzip „Work, pray and love“ (arbeite, bete und liebe). „Die Arbeitszeit jedes Menschen sollte sinnbefüllt sein und keine Durststrecke, die zum Wochenende führt.“

Das „Pray“ steht für die Zeit, die dem Menschen bleibt, um über sich und die Welt nachzudenken. „Jeder sollte wissen, warum er hier ist. Früher haben diese Fragen die Religionen beantwortet. Heute muss so mancher selbst die Antwort finden.“ Hier kommt die „Achtsamkeit“ ins Spiel, die der Mensch des 21. Jahrhunderts wieder lernen müsse. Achtsamkeit bedeutet, Dinge im Hier und Jetzt wahrzunehmen und sich selbst zu spüren.

Letztendlich wäre dann noch die Liebe. „Ohne sie gibt es kein erfülltes Leben“, sagt die Expertin. Insgesamt sei dies alles eine sehr große Herausforderung. „Denn wir sind Pilger ohne Masterplan.“

Die große Burnout-Lüge oder: „Was uns wirklich schwächt“

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4 Antworten zu Burnout – tiefer geblickt

  1. Andrea descovich schreibt:

    Meine Gedanken dazu:
    Ich denke, der Systemcrash ist schon da. Ob Menschen mit Burnout „Bauernopfer“ sind? … Würde ich wahrscheinlich nicht so formulieren. Die Frage ist, wie weit lasse ich mich auf ein System ein und welches ist mein eigenes System? Warum bekommen nicht alle Menschen in diesem System ein Burnout …..Die Antwort lautet Resilienz….na toll, man muss nur wissen, wie seine eigenen Resilienzfaktoren aussehen. Wenn man diese analysier hat, ist man meistens schon drinnen. Auch denke ich nicht, dass unbedingt die Narzissten Burnout bekommen, sondern ich meine das Gegenteil, nämlich Menschen, welche extrovertiert sind, sich anderer Menschen annehmen, eine hohes Verantwortungsgefühl haben…..und mit Narzissten nicht viel anfangen können. Eben Menschen, welche nicht genug auf sich ch schauen und sich viel weniger wichtig nehmen, als andere Menschen. Ich denke diesen Menschen würde es nicht Schaden, achtsamer auf sich zu schauen und zu lernen, Verantwortungen an andere abzugeben, zu delegieren, sich selber mehr Zeit zu nehmen……leider lernt ,an dies nirgends und wenn dann lernt man es eben in diesem Ausmaß, das man Narzisst wird.
    Kann es aber auch sein, das dem ganzen zu viel Bedeutung angelastet wird…..im Sinne „was du hast noch kein Burnout? hast du nie gearbeitet! Um als Arbeitstier zu gelten, muss man ja schon bald ein Burnout haben. Auf keinen Fall darf man in der Arbeit Zeit haben und sich Zeit lassen……denn es darf einem in unserer Gesellschaft nicht gut gehen? …Neid? Ich denke, wir leben in einer ganz eigenen Wertegesellschaft! Ist es nicht traurig, dass man sagen muss: als Geschenk bekommst du von mir zu Weihnachten ZEIT!…..
    …deswegen existiert für mich der Systemcrash schon…..der Spirale kann man nur entkommen, wenn einzelne zum Umdenken anregen…..siehe Düringer Roland….mit seinem Experiment, die Zeit ein wenig anzuhalten……..

  2. gettinger schreibt:

    Wie gesagt (in ‚Ist Burnout eine Krankheit?‘):

    Burnout als das Ergebnis einer Neurose anzusehen, einer sozial produzierten Zwangsneurose, einer ‚Anpassungsstörung’, also als Anpassungsversuch an krankmachende Forderungen und Vorstellungen von ‚richtig’ und ‚falsch’, von ‚krank’ und ‚gesund’. Genauer: es ist die Folge einer ‚Erfolg-Zwangsneurose‘, d.h. man ‚muss‘ (aus innerem
    Antrieb) immer und um jeden Preis ‚erfolgreich‘ sein, all das Erledigen, und möglichst flott, womit man sich identifiziert hat; sich also selber immer und überall ‚zusammen reißen‘ (was für ein verräterisch schönes Wort das ist, wie präzise doch die deutsche Sprache ist; aber keiner hört mehr richtig hin, vor lauter ‚Eilighaben’….). – Irgendwann ist man dann halt ‚kaputt‘.

  3. Andrea descovich schreibt:

    …die Frage ist aber auch: was heißt erfolgreich sein? Ist dies eine berufliche Dimension, ist dies eine politische Dimension..? Ich finde es schade, dass man über dass erfolgreich sein definiert werden muss, oder sich definieren lassen möchte! Ich bin erfolgreich, deswegen werde ich anerkannt, wertgeschätzt etc.
    Habe ich kein Selbstbewusstsein..ist dies irgendwo abhanden gekommen?

    • gettinger schreibt:

      Ralph Waldo Emerson (das US-Gegenstück zu ‚unserem‘ Goethe) hat Erfolg so umschrieben:

      „To laugh often and much,
      To win the respect of intelligent people
      And the affection of children,
      To earn the appreciation of honest critics
      And endure the betrayal of false friends,
      To appreciate beauty,
      To find the best in others,
      To leave the world a bit better,
      Whether by a healthy child, a garden patch,
      Or a redeemed social condition,
      To know that even one life has breathed
      Better because you have lived,
      This is to have succeeded.“

      Sag mir, was Du unter Erfolg verstehst, und ich sag Dir wer Du bist! ‚Selbst-Bewusstsein‘ – es zeigt sich in dem, was jemand als einen ‚Erfolg‘ bzw. ‚Misserfolg‘ betrachtet. Ich für meinen Teil habe aus ‚Misserfolgen‘ immer mehr gelernt als aus ‚Erfolgen‘. Für mich sind ‚Misserfolge‘ Lernchancen. erinnert mich zwei von Brechts ‚Geschichten von Herrn Keuner‘. Hier sind sie:

      Mühsal der Besten

      „Woran arbeiten Sie?“ wurde Herr K. gefragt. Herr K. antwortete: „Ich habe viel Mühe, ich bereite meinen nächsten Irrtum vor.“

      Weise am Weisen ist die Haltung

      Zu Herrn K. kam ein Philosophieprofessor und erzählte ihm von seiner Weisheit. Nach einer Weile sagte Herr K. zu ihm: „Du sitzt unbequem, du redest unbequem, du denkst unbequem.“ Der Philosophieprofessor wurde zornig und sagte: „Nicht über mich wollte ich etwas wissen, sondern über den Inhalt dessen, was ich sagte.“ „Es hat keinen Inhalt“, sagte Herr K. „Ich sehe dich täppisch gehen, und es ist kein Ziel, das du, während ich dich gehen sehe, erreichst. Du redest dunkel, und es ist keine Helle, die du während des Redens schaffst. Sehend deine Haltung, interessiert mich dein Ziel nicht

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